Langzeittest Canon RF 11/ 800 mm

4 Jahre ist das 800er bereits bei uns im Einsatz und wir möchten es nicht mehr missen. Warum erfahrt ihr im Artikel.

Langzeit Review vom Canon RF 11/ 800 mm nach 4 Jahren im Einsatz

Willkommen zu einem kleinen Review von einem der umstrittensten Tele Objektive von Canon nach 4 Jahren intensiver Nutzung.

Das Objektiv ist bei mir fast täglich im Einsatz und wir zeigen Euch die Vor- und Nachteile, das Preis-Leitungsverhältnis, unsere Meinung zur Praxistauglichkeit und natürlich auch zur Bildqualität.

Als 2019 die ersten Gerüchte von neuen Festbrennweiten im Telebereich für das RF-Bajonett im Netz auftauchten, glaubten natürlich alle an ein 2,8/400er, 4,0/600er und 5,6/800er. Die sind dann zwar später auch auf den Markt gekommen, aber vorher gab es etwas völlig anderes.

Canon stellte 2020 die beiden 600 und 800 mm Objektive mit einer Fixblende von 11 vor und es ging ein Aufschrei durch alle SocialMedia Foren und Internetseiten.
Wie kann man denn ein Tele mit Blende 11 rausbringen? Was soll das? Damit kann doch keiner was anfangen. Und so weiter.

Selbst nach Jahren liest man immer noch aktuelle Kommentare mit ähnlichem Content. Wenn mal genauer schaut, sind das alles, in Anführungszeichen Naturfotografen, die dieses Objektiv scheinbar noch nie ernsthaft ausprobiert haben!

Jeder der mal ein 600er oder 800er mit Blende 11 in den Händen hielt und versucht hat damit in der Natur zu fotografieren, wird seine Meinung sehr schnell ändern.

Und JA, man ist durch die Blende 11 eingeschränkt. Bei sehr schlechtem Wetter, an dunklen Tagen oder im dichten Wald lässt sich das Objektiv nicht wirklich nutzen, oder doch?

Das ist sehr abhängig vom Motiv, denn durch den grandiosen Stabilisator lassen sich selbst mit dem 800er noch mit einer 1/60s oder 1/30s mit Ausschuss Freihand scharfe Bilder machen. Das funktioniert natürlich nur, wenn sich das Motiv nicht schnell bewegt und es dadurch zu Bewegungsunschärfen kommen kann.

An helleren Tagen gibt es auch mit Blende 11 keine großen Probleme. Bei schnelleren Zeiten ist der ISO-Wert dann natürlich etwas höher, aber im Vergleich zu einem 150-600er mit Blende 6,3 bei 600mm sind es ja „nur“ gute 1,5 Blenden dunkler. Wenn ihr also beim 150-600er z.B. ISO 400 eingestellt habt, wären das beim 800er dann ca. ISO 1.000.

Zum 800er Topmodell von Canon mit Blende 5,6, zu einem Preis von aktuell knapp 20.000 Euro beträgt der Unterschied 2 Blenden. Aber diese beiden Objektive miteinander zu vergleichen macht wenig Sinn, da es nicht mal annähernd die gleiche Liga ist. Von daher dienen die aufgeführten Blendenunterschiede nur als Denkanstoß, ob sich ein Aufpreis von 19.000 € für wenige Momente im Jahr auch lohnen. Bitte nicht falsch verstehen, es gibt genügend Anwendungen, für die sich solch ein Preisunterschied lohnen. Wobei ich da eher im Sportbereich bin und nicht in der Naturfotografie. Wenn ihr anderer Meinung seid, schreibt es gerne in die Kommentare.

Da alle aktuellen Canon R Modelle ein gutes Rauschverhalten haben und man die Aufnahmen gegebenenfalls Nachträglich per Software entrauschen kann, lassen sich die aktuellen Vollformatmodelle ohne Probleme von ISO 6.400 bis 12.800 nutzen, bei APS-C Modellen von ISO 3.200 bis 6.400.

Durch das geringe Gewicht von gerade mal 1,3 kg und die sehr kompakte Bauweise lässt es sich ohne Probleme auch auf weiteren Touren nutzen, ohne lahme Arme zu bekommen. Und das schöne ist, durch den grandiosen IS kann man das Stativ zuhause lassen und es gelingen einem Freihand schon problemlos scharfe Bilder.

Einige von Euch haben vielleicht noch gar nicht mit Brennweiten von über 600 mm oder in diesem Fall mit 800 mm gearbeitet. Von daher noch ein paar Anmerkungen, bevor ihr jetzt loslauft und euer schwer verdientes Geld für ein Tele ausgebt.

Denkt daran das das 800er etwas über 1 kg wiegt, das hört sich zwar nicht viel an, wenn man aber einige Stunden damit unterwegs und nicht an schwere Objektive gewöhnt ist, macht sich das Gewicht irgendwann doch bemerkbar.

800 mm sind viel Brennweite, solltet ihr eine APS-C Kamera haben entspricht das sogar einem Bildausschnitt von 1.280 mm. Das ist zwar super um Tiere groß auf den Sensor zu bannen, hat aber auch einige Nachteile die ihr Wissen solltet.

An sonnigen Sommertagen ist es zur Mittagszeit fast immer unmöglich scharfe Bilder mit 800 mm zu bekommen, da die warme Luft aufsteigt und flimmert, es sei denn ihr seid relativ nah am Motiv dran. Dies ist wohl einer der Hauptgründe warum viele User über die Bildqualität meckern, das liegt aber nicht am Objektiv, sondern ist einfach nur Physik.

Bei 800 mm ist es manchmal gar nicht so einfach das Motiv durch den Sucher zu finden oder bei bewegten Motiven im Sucher zu behalten. Ihr seht mit dem Auge einen Vogel auf einem Baum, schnappt euch euer Objektiv und haltet es in die Richtung, aber wo ist er denn? Auf dem Ast? Nein. Auf dem anderen? Nein. Ihr schaut noch mal mit dem Auge und korrigiert dann die Richtung und der Vogel ist weg. Auch wenn es mit etwas Übung und Erfahrung im Laufe der Zeit kaum noch vorkommt, solltet ihr das wissen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Verschlusszeiten und ISO-Werte. Blende 11 ist lichtschwach, darüber brauchen wir nicht diskutieren. Außerdem solltet ihr eine Verschlusszeit von mindestens 1/500s einstellen, um wirklich scharfe Bilder zu bekommen. Dies gilt natürlich nur für Motive die sich wenig bewegen. Tiere in Bewegung erfordern in der Regel viel schnellere Zeiten von einer 1 bis 1/2.000s, je nach Motiv.

Bei Blende 11 sind wir da sehr schnell im vierstelligen ISO-Bereich. Am besten stellt ihr Eure Kamera auf ISO-Automatik und begrenzt den ISO-Wert dann auf den Wert, bei der eure Kamera noch ein erträgliches Rauschverhalten hat. Bei mir sind das an der Vollformat ISO 6.400 als Standard, selten auch mal ISO 12.800 und an der APS-C ISO 3.200 und in manchen Situationen auch mal ISO 6400.

Durch die Automatik habt ihr dann an hellen Tagen moderate ISO-Werte im unteren Bereich und in dunkleren Situationen stellt die Kamera die ISO automatisch bis zur maximalen Begrenzung hoch, um die schnelleren Verschlusszeiten realisieren zu können. So müsst ihr die Einstellung nicht jedes Mal anpassen und verpasst kein Motiv.

Das Objektiv ist für Freihand konzipiert, was man schon daran merkt, dass es leider keine Stativschelle hat und von Canon meines Wissens auch keine angeboten wird.

Von der Firma ishoot gibt es eine Zubehör Schelle, die ich nutze. Für rund 45 € bekommt ihr eine zwar kleine aber stabile Schelle, welche auch noch Arca Swiss kompatibel ist. Die Schelle wird mit 4 Schrauben befestigt und sitzt dann auch bombenfest.

Allein schon zum Tragen des Objektivs lohnt sich die Anschaffung. Einen Link zum Produkt findet ihr in der Beschreibung.

Im Lieferumfang ist übrigens auch keine Gegenlichtblende enthalten. Eine Gegenlichtblende ist Pflicht und kostet noch einmal zwischen 20 und 50 Euro. Ich nutze übrigens nicht die Originale, sondern die von JJC für rund 25 Euro und bin damit sehr zufrieden.

Kommen wir noch zu einem wichtigen Punkt, der mich anfangs sehr geärgert hat und den ich vor dem Kauf nicht wusste, bzw. einfach überlesen habe:

Das AF-Feld ist begrenzt und reicht nicht über die komplette Fläche. An der Vollformat bedeutet das schon einen heftigen Einschnitt in die Gestaltungsmöglichkeiten, denn ohne weiteres lassen sich Motive am Bildrand nicht fokussieren. Man kann sich zwar behelfen, aber ich finde das ist neben der Lichtschwäche das größte Manko an diesem Objektiv.

An einer APS-C reicht das AF-Feld aufgrund des Crop Faktors wenigstens etwas weiter an den Rand und ist zumindest nicht extrem störend. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich zwar daran, aber perfekt gelöst ist das nicht.

Hier einmal alle Vor- und Nachteile komplett aufgelistet:

Vorteile:

  • Extrem guter Stabilisator
  • Sicherer Autofokus
  • Sehr gute optische Qualität
  • Klein, kompakt und sehr leicht für ein 800er
  • Sehr günstig
  • Freihand einsetzbar

 

Nachteile

  • Keine Gegenlichtblende
  • Keine Stativschelle
  • Fixblende von 11
  • Nicht Staub- und spritzwassergeschützt
  • Begrenztes Fokusfeld im Sucher
  • Naheinstellgrenze von 8 Metern

Fazit:

Ich hatte mir das 800er gleich nach Erscheinen im Juni 2020 bestellt. Aufgrund der anfänglichen Lieferschwierigkeiten kam es dann erst 2 Monate später an. Somit nutze ich es jetzt 1,5 Jahre und habe viele Tausende Bilder mit 800er gemacht.

Nach dem Auspacken war ich erstaunt wie leicht und klein es ist und dachte auch erst: Ob das was taugt? Es sieht eher wie ein Spektiv und nicht wie ein Objektiv aus.

10 Minuten später war ich dann schon unterwegs und machte die ersten Bilder. Bis auf das eingeschränkte Fokusfeld war ich von Anfang an begeistert, der Autofokus war schnell, der Stabi unglaublich und die Schärfe der Bilder super. Auch die Reichweite von 800 mm ist perfekt für die Wildlife Tierfotografie, insbesondere für die Vogelfotografie.

Die Blende 11 machte sich an diesem recht hellen Tag überhaupt nicht bemerkbar, die Zeiten waren schnell genug und die ISO hielt sich im rauschfreien Bereich meiner Kamera.

Mittlerweile lasse ich immer wieder mal die anderen Tele zuhause und nehme nur das 800er mit. Besonders an sonnigen bzw. helleren Tagen erfüllt es seinen Zweck und die Aufnahmen lassen sich auch professionell für großformatige Drucke und Printausgaben ohne Probleme nutzen.

Zur Dämmerung, an sehr dunklen Wintertagen oder im Wald, wird es dann eng mit Blende 11. Entweder ist die Verschlusszeit zu lang oder die ISO geht auf 6.400 oder höher. Aber dafür ist das Objektiv auch nicht gemacht.
Besonders für Einsteiger in die Wildlife Tierfotografie ist die lange Brennweite perfekt geeignet. Aber auch den einen oder anderen Profis wird die Bildqualität begeistern.  Mit einem Neupreis von knapp 1.000 Euro ist es ein bezahlbares Tele, auch wenn es aufgrund der Lichtschwäche nicht immer und überall einsetzbar ist.

Auf jeden Fall gibt es von uns eine klare Kaufempfehlung.

 

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